Cannstatter Volksfestzeitung 2018

aufzuladen.“ Denn nicht al­ les, was sie in den Handlinien ihrer Kunden und den Kar­ ten sieht, ist schön. Das kann man nicht alles abschütteln. Ob Madame Odessa das auch erzählt, entscheidet sie selbst. „Ich gebe nur das weiter, was ich dem Kunden zumuten kann.“ Sie ist erfahren genug, um das zu erkennen. Eine Uhr läuft während der Sitzung im Wohnwagen nicht mit. „Jeder bekommt seine Zeit, die er be­ nötigt“, betont die 59-Jährige. Und wenn dann noch Fra­ gen auftauchen, werden auch diese beantwortet. „Dann wird nach einer Lösung gesucht.“ Angetrunkene Kunden lässt sie nicht in ihr „fahrendes Ho­ tel“. „Was ich mache, ist seriös und dient nicht der Belusti­ gung.“ Zu den Kunden zählen mehr Frauen als Männer. Das „starke“ Geschlecht traut sich wohl nicht, gibt Schwächen oder Ängste immer noch un­ gern zu. Mindestens 16 Jahre alt muss man sein, um sich aus der Hand lesen zu lassen. „Vorher sind die Linien nicht ausgeprägt.“ Ältere Kunden wollen wissen, wie es um die Gesundheit bestellt ist, um ihre Kinder, um die Finanzen. Jüngere hingegen fragen nach der beruflichen Zukunft, nach der Partnerschaft. Andrea Kühnle, Veranstaltungsservice Andrea Kühnle betreut seit 40 Jahren das Volksfest und ist für den Servicebereich zustän­ dig, also quasi für alles. Die Veranstaltung ist ihr ans Herz gewachsen. „Ohne das Volks­ fest würde mir etwas fehlen.“ Im Juni 1978 trat sie beim da­ maligen Verkehrsamt nach der Ausbildung bei der Stadt Stuttgart ihren Dienst an, im September darauf war sie schon auf dem Wasen. Keine Veranstaltung hat sie seitdem verpasst. Nur einmal konnte sie erst Dienstag nach Festbe­ ginn antreten. Ein Bänderriss hatte sie beim Sommerfest 1993 außer Gefecht gesetzt. „Das werde ich nie vergessen.“ Die Eröffnungsveranstaltung verfolgte sie am Fernseher. „Da habe ich es nicht mehr ausgehalten und mich zum Wasen fahren lassen.“ In der Aufbauphase geht es heiß her. Da kommen die Schaustel­ ler aufs Gelände, wollen ih­ ren Standplatz wissen, holen sich Durchfahrts- und Dauer­ parkschein, benötigen Was­ ser- und Telefonanschluss, ei­ nen Platz für den Wohnwagen, geben ihre Bewerbungen für die nächste Veranstaltung ab, Lieferanten melden sich an … Nach dem Abbau der Buden und Fahrgeschäfte müssen sich alle Schausteller abmel­ den, wird der Stellplatz vom Veranstalter abgenommen. „Ich bin quasi Mädchen für alles“, umschreibt sie ihr Auf­ gabengebiet. Sie hört sich die Sorgen und Nöte der Schau­ steller an, ist auch eine Art Kummerkasten, legt Pflaster und Verband an, wenn sich Ar­ beiter verletzt haben. „Das ge­ hört auch dazu.“ Ihren Humor hat sie nicht verloren. Obwohl die Schausteller „ein eigenes Völkchen“ seien, unter ihnen auch mal ein rauer Umgangs­ ton herrsche. Darauf hat sie sich längst eingestellt. „Auch ich kann energisch werden“, betont die 57-Jährige. Dann passt sie sich dem Umgangs­ ton an. Das helfe fast immer. Während des Volksfestes steht das Telefon kaum still. Es wird nach Telefonnummern der Festbetriebe gefragt, nach dem Feuerwerk, den Famili­ entagen, Besucher kommen an ihr Büro, fragen nach dem Roten Kreuz, den Toiletten, wollen ihren Fahrradhelm ab­ geben. „Ich habe auch schon mal auf einen Hund aufge­ passt.“ Diese sind auf dem Festgelände verboten. Andrea Kühnle braucht ein dickes Fell und starke Nerven. Besu­ cher können schon mal aus­ fällig werden. Ein angetrunke­ ner Mann schlug einmal ihre Scheibe zum Büro ein. „Dem habe ich nicht gleich helfen können.“ Doch das sind Aus­ nahmen. Und schon länger her, „das war noch in unserem alten Büro.“ Ihrer Beziehung zum Volks- und Frühlings­ fest hat das nicht geschadet, so anstrengend ihr Job auch ist. „Man muss flexibel und belastbar sein.“ Auch an den freien Tagen besucht sie den Festplatz. Früher hat sie neue Fahrgeschäfte getestet. Doch inzwischen kennt sie alle. Da­ her sind jetzt die beiden En­ kel dabei, bekommen den Festplatz hautnah vermittelt. Auch nach so vielen Jahren Volksfest hat Andrea Kühnle nicht genug. Fest und Schau­ steller sind ihr einfach zu wichtig. Sevtap Kajic, Postzustellerin Die Begrüßung ist über­ schwänglich. „Da kommt die treue Seele des Volksfestes“, sagt Schaustellerin Ursula Heitmann, als ihr Sevtap Kajic Frau mit dickem Fell und starken Nerven: Andrea Kühnle von der Veranstaltungsgesellschaft >> Sevtap Kajic sorgt dafür, dass die Post zu denn Schaustellern flattert. >>

RkJQdWJsaXNoZXIy NDAzMjI=