Cannstatter Volksfestzeitung 2018

auf die Tage nach dem eigent­ lichen Fest gelegt, sodass es sich immer mehr ausdehnte. Fruchtsäule und Göckele Die Prämierung von Zucht­ leistungen der württembergi­ schen Bauern und die Darstel­ lung der landwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit war das zentrale Thema des Festes. Doch schon beim ersten Fest siedelten sich im Umfeld der Agrar-Leistungsschau Ver­ sorgungs- und Schausteller­ buden an. Sauerkraut und Würste wurden angeboten, allerhand Süßes, Leckeres so­ wie Vieh- und Krämermärkte ergänzten die kulinarischen Angebote. Die stärksten Män­ ner, die dicksten Frauen und allerhand sonstiges Kurioses wurde vom fahrenden Volk zur Schau gestellt. Mit der Zeit wurde das „Landwirthschaftli­ che Fest zu Kannstadt“ zum Cannstatter Volksfest, wuchs und gewann an Bedeutung. Im 19. Jahrhundert dauerte das Fest zunächst nur einen einzigen Tag, später drei, dann vier, ab den 1920er-Jahren schließlich fünf Tage. Zu Be­ ginn der 1950er-Jahre wurde es dann auf zunächst zehn, dann zwölf und 2007 auf die heute üblichen 17 Festtage ausgedehnt. Mit knapp 400 Schausteller­ betrieben ist das Cannstat­ ter Volksfest heute das größte Schaustellerfest derWelt. Längst findet das Landwirtschaftliche Hauptfest, das untrennbar zum Cannstatter Volksfest gehört, wegen des enormen Organisa­ tionsaufwands nur noch alle vier Jahre statt. Doch die fest­ freudigen Schwaben wollen auf das alljährliche „schwäbischste aller Feste“ nicht verzichten. Der Duft von knusprig braun gebratenen „Göckele“, frisch ge­ brannten Mandeln und der An­ blick einer kühlen Wasenmaß sind unvergessliche Eindrücke. Nur in Kriegs- oder Notzeiten ist das Volksfest ausgefallen, z. B. 1847 wegen einer gro­ ßen Hungersnot, 1851 wegen Überflutung des Wasens, 1870 wegen des Deutsch-Französi­ schen Krieges, während des Erstenund des Zweiten Welt­ krieges. Fast zwei Jahrhunderte hat die Fruchtsäule, das von Nikolaus Thouret schon zum ersten Fest geschaffene Symbol des Cann­ statter Volksfestes, überdauert. Prachtvoll ragt die mit Früch­ ten des Feldes dekorierte Säule in den Festhimmel. Längst ist sie nicht mehr das höchste Bauwerk auf dem Wasen. Das größte transportable Riesen­ rad der Welt, atemberaubende Achterbahnen und der Freefall-Tower überragen das an die Ur­ sprünge erinnernde 15 Meter hohe Sinnbild. Politischer Höhepunkt des Festgeschehens war das Kai­ sertreffen 1857, als König Wil­ helm I., Kaiser Napoleon III. und der russische Zar Alexan­ der II. hoch zu Ross auf den Wasen ritten. Festzüge auf oder zum Cann­ statter Wasen fanden nie re­ gelmäßig statt. Einer der prächtigsten Festzüge aber war der komplett zeichnerisch erhaltene zum 25-jährigen Regierungsjubiläum König Wilhelms I. 1841, der zuerst durch Stuttgart defilierte und tags darauf in Teilen auf dem Festplatz am Cannstatter Wa­ sen wiederholt wurde. 10000 Württemberger nahmen in ihren Landestrachten daran teil. Große Umzüge zu den Volksfestjubiläen begeisterten Hunderttausende. Erst seit Mehr zum Thema bietet das neu erschienene Buch von Wulf Wager Cannstatter Volksfest Vom Landwirtschaftsfest zum Mega-Event 200 Seiten, 315 Abbildungen, 23 × 26 cm, laminierter Pappband, Belser Verlag, Stuttgart, ISBN 978-3-7630-2813-9, € 24,99 Mit Trachten warb man schon Ende des 19. Jahrhunderts für das Volksfest. >> Cannstatter Volksfestzeitung 2018 ❤ 9

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