In Zeiten politischer Wirren und wirtschaftlicher Schwäche legten der württembergische König Wilhelm I. und seine Frau Katharina mit der Gründung der „Centralstelle des landwirtschaftlichen Vereins“ 1817 den Grundstein für das, was man heute als Cannstatter Volksfest kennt. Ein landwirtschaftliches Fest mit Pferderennen, Preisverleihungen für herausragende Leistungen in der Viehzucht zusammen mit einem allgemeinen Volksfest sollte nach dem Wunsch des Königs die nach den napoleonischen Kriegen schwer geschädigte württembergische Wirtschaft wieder auf Vordermann bringen.

Das erste Cannstatter Volksfest

Im darauf folgenden Jahr, am 28. September 1818, einen Tag nach des Königs 36. Geburtstag, war es dann so weit: Das Cannstatter Volksfest fand erstmals statt. Und seit damals ist der Cannstatter Wasen auch der Austragungsort für die große Festlichkeit. Dieser war damals eine idyllische, wohl auch etwas feuchte Neckaraue ohne umgebende Bebauung, zwischen Wiesen und Weinbergen am noch nicht aufgestauten Neckar gelegen. In Sichtweite lag die königliche Villa Bellevue an der Wilhelma, dem einzigen zoologisch-botanischen Garten in Deutschland. Ein kurzer Kutschenanfahrtsweg also für den Stifter des Festes, der es sich nicht nehmen ließ, dieses feierlich zu eröffnen und Zeuge eines erfolgreichen Beginns zu werden. In der Gestalt des parallel zum eigentlichen Volksfest stattfindenden Landwirtschaftlichen Hauptfests, heute eine umfassenden Ausstellung zum Stand der Agrartechnik in Baden-Württemberg, lebt die ursprüngliche Idee des „Königs unter den Landwirten und Landwirts unter den Königen“, wie Wilhelm I. von seinen Zeitgenossen genannt wurde, bis heute fort.

Volksfestumzug erstmals 1841

Umzüge durch die Straßen Stuttgarts zum Volksfest auf dem Cannstatter Wasen hat es beinahe immer gegeben. Aus dem Jahr 1841 wird von einem Festzug mit mehr als 10.000 Teilnehmern und weit über 100.000 Zuschauern entlang der Straßen berichtet. Dabei hatte die Stadt damals gerade einmal 40.000 Einwohner. Der Volksfestumzug im heutigen Sinne mit offiziellem Start am Cannstatter Kursaal fand erstmals 1927 statt. 1911 gab es in der Heimatstadt Gottlieb Daimlers und Wilhelm Maybachs standesgemäß den ersten Volksfestautokorso.

In der Frühzeit waren die Volksfestbuden mit Schaustellern und Bierausschank noch gering an der Zahl und blieben zugunsten der königlichen Loge und der Honoratiorentribünen am Rand des eigentlichen Festgeländes. Im Jahr 1860 wurde dann im Amts- und Intelligenzblatt für das Oberamt Cannstatt von einer der heutigen ähnlichen Szenerie gesprochen, nach der die Buden zum ersten Mal „in drei Hauptstraßen und zahlreichen Nebenstraßen angeordnet“ waren.

Von 1882 an wurde auf Weisung von König Karl, Sohn und Nachfolger von Wilhelm I., das Cannstatter Volksfest nicht mehr alljährlich, sondern nur noch alle zwei Jahre veranstaltet. Bis zum Tod des Königs 1891 blieb diese Regelung erhalten. Auf diesen Umstand und die Auswirkungen beider Weltkriege ist es zurückzuführen, dass insgesamt 28 Jahre volksfestlos blieben.

„Fest der Schwaben“ seit Beginn ein Publikumsmagnet

Über die Jahrzehnte hat sich das Cannstatter Volksfest stetig weiterentwickelt und es dabei auf sympathische und einzigartige Weise geschafft, Tradition mit Moderne zu verbinden. Rund vier Millionen Besucher zählt das „Fest der Schwaben“ jedes Jahr. Bereits in den Anfangsjahren lag die Zahl der Festteilnehmer spürbar höher als die Anzahl der Einwohner Stuttgarts und Cannstatts zusammen. Zeitgenössischen Aufzeichnungen zufolge, wohnten gleich von 1818 an mehr als 30.000 Mitwirkende und Gäste dem Fest bei. Eine teils mehrtägige Anreise aus allen Teilen des Königreichs wurde dabei sogar von einigen in Kauf genommen. Und wenn man sich vor Augen hält, dass das erste Cannstatter Volksfest gerade einmal einen einzigen Tag gedauert hat, nämlich eben diesen 28. September 1818, so kann sich die damalige Tages-Besucherzahl durchaus mit heutigen Zählungen messen. Das Cannstatter Volksfest war demnach schon in seinen Anfängen ein wahrer Publikumsrenner und ist es bis heute geblieben.

Die wenigste Zeit hat das Cannstatter Volksfest so lange gedauert wie heute. Im 19. Jahrhundert gab es zunächst nur einen einzigen, etwas später drei, dann vier, ab den späten Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts schließlich fünf Volksfesttage. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde zu Beginn der Fünfzigerjahre bereits zehn, dann zwölf und seit 1972 16 Tage lang gefeiert. Seit 2007 dauert das Volksfest 17 Tage, da die Eröffnung von Samstag auf Freitag vorverlegt wurde.

Die Fruchtsäule

Die Fruchtsäule ist das Wahrzeichen des Cannstatter Volksfestes. Bereits beim ersten Volksfest 1818 gab es eine hoch aufragende Säule, die mit vielen Früchten, Getreide und Gemüse geschmückt war. So erinnert dieses Symbol noch heute an den Ursprung des Volksfestes als landwirtschaftliches Fest. Die erste Fruchtsäule war von König Wilhelm I. gestiftet und vom damaligen württembergischen Hofbaumeister Nikolaus Friedrich von Thouret entworfen und erbaut worden.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde sie wegen dieser Herkunft und der königsblauen Farbe als „monarchistisches Überbleibsel“ betrachtet und einige Jahre nicht mehr aufgestellt. Zum 100. Volksfest 1935 hat man diese Tradition wieder aufgenommen. Seitdem schmückt sie alljährlich den Festplatz. Die heutige Fruchtsäule entstand 1972 und wurde in Durchmesser, Höhe und Farbigkeit dem historischen Modell nachempfunden. Sie ist 26 Meter hoch, steht auf einem fünf Meter hohen Sockel und wiegt ca. drei Tonnen. Die Schale, die am oberen Ende der Säule Früchte und Pflanzendekoration trägt, wiegt zusätzlich rund 600 Kilogramm. Der äußere Teil der Säule ist aus Holz, im Innern befindet sich eine Stahlkonstruktion.

Das Aussehen der Fruchtsäule hat sich im Laufe der Jahrzehnte viele Male geändert. Bis 1995 wurde sie jedes Jahr nach Ende des Volksfestes abgebaut und eingelagert. In den Folgejahren blieb sie versuchsweise ganzjährig auf dem Wasengelände stehen, sodass sie auch während des Stuttgarter Frühlingsfestes zu sehen war. Seit ein paar Jahren wird nur noch die Spitze demontiert und der Unterbau, der während des Frühlingsfestes die Cannstatter Kanne trägt, stehen gelassen.